Der neue Nordamerika-Chef von Volkswagen, Pablo Di Si, will mehr Eigenständigkeit für die Konzerntochter. Im Gespräch mit dem Handelsblatt kündigt er die Produktion weiterer SUV-Modelle in den USA an. Schon im kommenden Jahr könnte es hier Neuigkeiten geben.„Aktuell haben wir als Konzern in Nordamerika einen Marktanteil von vier Prozent. Das muss deutlich mehr werden“, sagte Di Si. „In den kommenden Jahren wollen wir fünf Prozent Marktanteil erreichen, 2030 dann zehn Prozent.“ Nötig dafür seien weitere Elektromodelle für den nordamerikanischen Markt.Bisher wird in der Region nur der vollelektrische ID.4 angeboten, der im VW-Werk in Chattanooga produziert wird. „Er kommt bei den Kunden sehr gut an“, erklärte Di Si. 2023 wolle VW im US-Werk rund 90.000 ID.4 produzieren.
Doch allein mit dem für US-Verhältnisse noch relativ kompakten SUV – Startpreis: knapp 38.000 Dollar – sei der nordamerikanische Markt nicht zu erobern, so Di Si. „Wir brauchen innerhalb der kommenden fünf bis sieben Jahre für Nordamerika weitere vollelektrische Modelle. Und wir wollen mehr Modelle lokal produzieren.“
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Auf weitere Sicht will Di Si in den USA eigenständiger agieren. „2023 werden wir hier konkrete Schritte verkünden können.“ Konzerninsider nennen Beispiele: So wird das VW-Designteam in Kalifornien ausgebaut. Geplant ist der Aufbau einer eigenen Batteriezellfertigung in Nordamerika. Und die Kapazität des Werks in Chattanooga könnte langfristig auf 500.000 Fahrzeuge verdoppelt werden.
VW: Neue Elektroauto-Modelle für Nordamerika
Profitabler Bestseller und das größte VW-Auto in den USA ist bislang der Atlas, ein Verbrenner-SUV nach amerikanischem Geschmack. Ein Modell dieser Größe könnte in einigen Jahren als vollelektrische Variante in Nordamerika starten, „weitestgehend lokal entwickelt und gefertigt“, sagte Di Si. Insidern zufolge käme hierfür als Produktionsstandort auch das VW-Werk im mexikanischen Puebla infrage.
Und weitere große, vollelektrische SUVs sollten folgen. „Wir wollen die wichtigen SUV-Segmente im US-Markt noch stärker erschließen, und zwar auch elektrisch.“ Denkbar ist etwa ein weiteres elektrisches SUV, vergleichbar mit dem Tiguan. Und auch an Ideen für andere neue US-Modelle besteht kein Mangel. Di Si nennt etwa den VW Taos als Vorbild, der wie der Atlas aktuell nur in den USA zu haben ist.
Spätestens mit dem Inflation Reduction Act (IRA), dem Klimapaket von US-Präsident Joe Biden, ist eine lokale Fertigung inklusive einer lokalen Rohstoffbeschaffung für die Autobauer noch wichtiger geworden. Nur solche Elektrofahrzeuge kommen in den Genuss großzügiger Steuerrabatte.
Zwar will Volkswagen ab 2024 auch den vollelektrischen ID.Buzz in Nordamerika verkaufen – dieser wird allerdings importiert. Der elektrische Nachfolger des Bully gilt im Konzern zudem vor allem als Imageträger und dürfte bei den Stückzahlen nicht an die SUVs heranreichen.
Argentinier mit Ortskenntnis
Di Si übernimmt VW in Nordamerika zu einem wichtigen Zeitpunkt. Das US-Geschäft galt lange als Sorgenkind des deutschen Autokonzerns. Die Produktpalette verfehlte den Geschmack der Amerikaner – der Dieselskandal erschütterte das Vertrauen dann vollends.
Erst unter Di Sis Vorgänger Scott Keogh gelang die Trendwende. Durch das verstärkte Angebot von SUVs wurde nach einer Dekade mit Verlusten 2021 erstmals ein Gewinn von 200 Millionen Euro erzielt. Dennoch ist der Marktanteil von VW in den Staaten nach wie vor deutlich kleiner als in China oder Europa. Der Ausbau des vollelektrischen Angebots wird Di Sis wichtigste Zukunftsaufgabe.
Pablo Di Si
Der Argentinier soll das Nordamerikageschäft von Volkswagen voranbringen.
Der 53-Jährige ist seit 2014 bei Volkswagen. Bisher war er Executive Chairman der VW-Region Südamerika und damit für viele Produktionsstandorte verantwortlich. Seine Karriere in der Autoindustrie begann der Vater zweier Söhne bei Fiat-Chrysler.
Di Si ist in Argentinien geboren. „Meine Familie war arm, wie das ganze Land“, erinnert er sich. „Wir hatten 100 Prozent Inflation – pro Monat! Ich wollte unbedingt raus aus Argentinien, um eine bessere Ausbildung zu bekommen.“ Die Chance kam durch ein Fußballstipendium: 1988, mit 17 Jahren, ging der Mittelfeldspieler in die USA. In Chicago studierte er tagsüber Finance an der Loyola-Universität und abends Accounting an der Northwestern University.
Erfahrung mit dem amerikanischen Markt und dem lokalen Design von Fahrzeugen hat Di Si. In Südamerika boxte er eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber Wolfsburg durch. So entwickelte die brasilianische Einheit unter seiner Führung den Nivus. Dieser wird unter dem Namen Taigo inzwischen auch in Europa verkauft. Der ebenfalls in Brasilien entwickelte Pick-up Tarok verschwand dagegen in der Schublade.
Konkurrenz aus dem eigenen Haus
Das Ziel, das Nordamerikageschäft auszubauen, hatte bereits der ehemalige Konzernchef Herbert Diess ausgegeben. Nachfolger Oliver Blume hat ähnliche Ambitionen und war zuletzt mit Di Si in den USA unterwegs.
Scott Keogh
Der Regionalchef ist zum CEO von „Scout“ berufen worden.
(Foto: AP)
Eine neue Marke auf dem US-Markt soll beim Wachstum helfen: Di Sis Vorgänger Keogh soll die US-Traditionsmarke Scout wiederbeleben und einen neuen Pick-up-Truck entwickeln. Keogh berichtet direkt an Wolfsburg, seine Einheit handelt unabhängig und ist laut Insidern derzeit auf Standortsuche abseits von Chattanooga.
Volkswagen hatte im August angekündigt, verstärkt in die lokale Rohstoffförderung in Nordamerika einzusteigen. Bis sich entsprechende Mining-Initiativen in Kanada jedoch auszahlen, wird es Jahre dauern.
Elektroauto-Hersteller: Mahnung an Washington
Di Si mahnte deshalb, die Autohersteller bräuchten mehr Zeit, um die neuen Anforderungen aus Washington zum Rohstoffursprung für E-Auto-Batterien zu erfüllen. „Ich glaube nicht, dass man die Mineralienproduktion und -förderung innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre umstellen kann“, sagte Di Si. So kurzfristig seien die Quellen aus dem Kongo, China und anderen Ländern nicht zu ersetzen.
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Biden’s climate package is an “important project”: “We are investing billions in localizing our procurement, development and production in North America. But the transformation of the auto industry must be carried out step by step as part of a process planned until 2030,” stressed Di Si. “We all source our goods from different parts of the world and these long-term contracts cannot be changed overnight. We have 10, 15, 20 year contractual commitments.”
One positive aspect of the legislative package is that the tax incentives are given directly to consumers, not to manufacturers, according to Di Si. There are also no specifications included that would discriminate against car manufacturers in the southern states, where there is no trade union organization.
Originally there were plans that only manufacturers with a unionized workforce would benefit from the tax rebates. Only the big US manufacturers in Detroit would have something like that. German automakers produce in the southern United States, where unions have traditionally been weak.
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