Proteste auf der Volkswagen-Hauptversammlung
Die Veranstaltung wurde am Mittwoch immer wieder von Protesten unterbrochen.
(Foto: Bloomberg/Getty Images)
Klimakleber behinderten den Zutritt, in der Halle unterbrachen Zwischenrufe die Reden, am Mikrofon gab es dann heftige Kritik am Aufsichtsrat: Die Hauptversammlung des Autobauers Volkswagen in Berlin wurde am Mittwoch von politischen Aktivisten gestört wie nie zuvor.
Schon vor Beginn der Veranstaltung hatte es Proteste und Störversuche von Klimaaktivisten gegeben, die sich auf den Zufahrtswegen zum Aktionärstreffen festklebten. Während der Rede des Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch warf ein Demonstrant einen Schokoladenkuchen in Richtung des Aufsichtsratsmitglieds Wolfgang Porsche, wie Handelsblatt-Reporter beobachteten. Auf einem Banner, das ein Aktivist hochhielt, stand: „Wir können uns den Wolfgang nicht mehr leisten.“ Der Kuchen verfehlte Porsche nur knapp.
Der Familienpatriarch feierte am Mittwoch seinen 80. Geburtstag und steht im VW-Konzern vor einer weiteren Amtszeit im Kontrollgremium. Porsches Verlängerung gilt unter Governance-Gesichtspunkten als umstritten. Eigentlich dürfen Aufsichtsratsmitglieder nur bis zum Alter von 75 Jahren gewählt werden.
VW-Hauptversammlung: Aktivisten protestieren gegen Engagement in Uiguren-Provinz
Die Veranstaltung lief nach kurzer Irritation auf dem Podium zunächst weiter, wurde im weiteren Verlauf aber immer wieder durch Aktionen gestört.
So protestierten während der Rede von Vorstandschef Oliver Blume mindestens zwei Demonstranten lautstark gegen das Engagement des Konzerns in der Uiguren-Provinz Xinjiang in Westchina. Eine Aktivistin zog ihr Oberteil aus und zeigte ein Banner mit der Aufschrift „Uigurische Zwangsarbeit bei VW beenden“. Die Protestler skandierten: „Zerstörung ohne Ende für eure Dividende“.
Volkswagen steht wegen seines Werks in Xinjiang schon länger in der Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten. Aus der Region gibt es glaubhafte Berichte über Menschenrechtsverletzungen und die gezielte Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren.
Protest bei VW-Hauptversammlung: Demonstranten werfen mit Torte
VW erklärt immer wieder, dass es in der Fabrik keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen gebe. Auf der Veranstaltung betonten Rechtsvorstand Manfred Döss und Chinachef Ralf Brandstätter, dass der Konzern die Einhaltung von Menschenrechten „sehr ernst“ nehme. VW halte seine Werte in den Lieferketten ein und toleriere keine Ausnahmen.
Protestaktionen haben auf Hauptversammlung eine gewisse Tradition. In der Vergangenheit standen aber eher die Aktionstreffen der Energiekonzerne im Blickpunkt. Vor allem bei RWE wurden die Veranstaltungen regelmäßig gestört – zunächst um gegen die Atomkraft zu demonstrieren, später gegen die Kohle. 2011 ließ sich der damalige Vorstandschef Jürgen Großmann durch einen Bodyguard vor Aktivisten schützen, die das Podium stürmen wollten.
Auch VW war in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Protesten – etwa während der Dieselaffäre. Die Aktionen jetzt haben jedoch ein neues Ausmaß angenommen.
Wolfgang Porsche
Aktivisten bewarfen den Aufsichtsratsvorsitzenden der Porsche Holding auf der Volkswagen-Hauptversammlung an seinem Geburtstag mit Kuchen.
(Foto: dpa)
Aufsichtsratschef Pötsch rief nach den Störungen mehrmals zur Ruhe auf und bat die Anwesenden, sich „angemessen zu verhalten“ und an das Saal-Mikrofon zu gehen, wenn sie etwas zu sagen hätten. Von den anwesenden Aktionären bekam er dafür Beifall.
Auch wenn das Gros der Anwesenden die Form des Protests nicht goutierte, zeigten Aktionsschützer in ihren Redebeiträgen zum Teil Verständnis für die Inhalte der Proteste. Umwelt-, Governance- und Menschenrechtsthemen: Die Vorwürfe „von junger, wütender Seite“ wichen inhaltlich kaum von den Fragen ab, die Vertreter großer Fondsgesellschaften stellen würden, sagte Marc Liebscher, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).
Protest gegen VW-Werk in China
Die Aktivistin wurde von den Sicherheitskräften aus dem Gebäude geführt.
(Foto: Lazar Backovic)
Ein Konzernsprecher erklärte auf Anfrage, dass ein konstruktiver Austausch wichtig sei. Eine Hauptversammlung biete dafür eine gute Möglichkeit. „Bis auf Einzelne halten sich alle an die dafür vorgesehenen Regeln“, sagte der Sprecher. Auf der Bühne hatten auch Vertreter der Klimabewegung „Fridays for Future“ sowie der unterdrückten muslimischen Minderheit der Uiguren Redebeiträge.
Die zivilgesellschaftlichen Proteste kommen für Volkswagen zu einer empfindlichen Zeit und rücken wichtige strategische Weichen, die derzeit im Konzern gestellt werden, in den Hintergrund. Der Volkswagen-Konzern befindet sich inmitten der Transformation zur Elektromobilität.
VW will 2023 eine Million mehr Autos bauen
Im ersten Quartal verkauften die Wolfsburger mit 141.000 Batteriefahrzeugen 42 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Auch liegt der Konzern mit knapp sieben Prozent Elektroanteil bei den Gesamtauslieferungen vor Konkurrent Stellantis und etwa gleichauf mit Toyota. Für das laufende Jahr peilt VW einen Wert von rund zehn Prozent an. 2025 soll weltweit jedes fünfte Neufahrzeug im Konzern rein elektrisch sein.
In diesem Jahr will Europas größter Autobauer seinen Umsatz um bis zu 15 Prozent erhöhen und muss dafür etwa eine Million Autos mehr produzieren als noch im Vorjahr. Blume erhob seine Strategie in seiner Rede zur „Mission“, die er in den kommenden Jahren erfüllen wolle. VW werde „Mobilität gestalten – für die Gegenwart und die Zukunft“. Die Protestler im Raum überzeugte das offenbar wenig.
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Für Blume ist es die erste reguläre Hauptversammlung seit seinem Amtsantritt. Trotz Rekordgewinnen bewegte sich der VW-Aktienkurs in den vergangenen Monaten bestenfalls seitwärts. Seit der Konzernchef im September die Führung bei VW übernahm, fiel der Kurs um etwa neun Prozent.
Proteste bei der VW-Hauptversammlung
(Foto: Lazar Backovic)
Zuletzt hatte Blume mehrere strategische Verschiebungen vorgenommen, allen voran in China und im wichtigen Softwarebereich.
Erst Anfang der Woche hatte VW den Vorstand seiner kriselnden Softwareeinheit Cariad neu sortiert. Konzernkreisen zufolge war das bisherige Management bei der Umsetzung der Softwarestrategie zu langsam gewesen. Neuer Chef wird ab Juni Bentley-Manager Peter Bosch. Außerdem soll VW als Konzern stärker in Softwarefragen auf Partner setzen. „Cariad soll und wird liefern“, sagte der Vorstandschef vor den anwesenden Aktionären.
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Blume also drew his “China Vision 2030”, which the board of directors essentially presented at the auto show in Shanghai. According to this, the group wants to develop innovations up to 30 percent faster in China, respond more to customer requests and give Brandstätter a freer hand in important decisions in his business area.
In the first quarter, the Volkswagen brand lost its title as market leader for the first time and fell behind the Chinese e-car supplier BYD. “In China, VW’s market shares are in free fall,” said Ingo Speich, head of sustainability at the fund company Deka. When it comes to e-mobility, VW is “being pinched by Tesla from the West and BYD from the East”.
In connection with the reports on human rights violations in Xinjiang, Speich pointed out that in November the US financial services provider MSCI issued a warning in its sustainability rating for VW because of its plant in the region. Some funds then threw the stock out of their portfolios.
This is how the protest differs between investors and demonstrators.
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