German Handelsblatt: Diesel scandal: Chief prosecutor gives up Continental investigations007108

Seit dreieinhalb Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover in der Abgasaffäre im Umfeld des Autozulieferers Continental. Mitarbeiter stehen im Verdacht, dem Volkswagen-Konzern bei der Manipulation von Dieselmotoren geholfen zu haben. Nun ruft die Staatsanwaltschaft den Mann an der Spitze der Ermittlungen zurück: Oberstaatsanwalt Malte Rabe von Kühlewein.Nach Informationen des Handelsblatts übernimmt die Erste Staatsanwältin Agnes Blum. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte den Wechsel Rabe von Kühleweins in ein anderes Dezernat, wollte sich zu den Gründen aber nicht äußern. Rabe von Kühlewein selbst ließ Fragen an ihn unbeantwortet. Ein Continental-Sprecher erklärte, man sei über den Wechsel informiert worden und sehe keine Auswirkungen auf die Kooperation mit den Ermittlern.
Insider berichten, dass Rabe von Kühlewein nicht auf eigenen Wunsch aus der Dieselgate-Affäre scheidet, dem größten Skandal in der deutschen Autoindustrie. Stattdessen sei er aktiv von dem Fall abgezogen worden. Fakt ist: Ein Wechsel an der Spitze der Ermittlungsgruppe ist höchst ungewöhnlich und in diesem Fall eine große Überraschung.
Staatsanwalt ließ Continental und Vitesco sieben Mal durchsuchen
Rabe von Kühlewein gilt als akribischer und ehrgeiziger Staatsanwalt. Er trieb die Ermittlungen gegen Continental im Dieselskandal seit Jahren mit hohem Einsatz voran. Allein sieben Mal durchsuchte die Staatsanwaltschaft Hannover Standorte von Continental und der mittlerweile ausgegliederten Antriebssparte Vitesco.

Nach Informationen des Handelsblatts hängt die Versetzung Rabe von Kühlewein indirekt mit einer Vernehmung Wolfgang Reitzles zusammen. Der Chefaufseher von Continental behauptete bei einer Befragung durch Rabe von Kühlewein am 1. Juni 2021, er habe bis zu diesem Tag von der Unternehmensführung nichts über eine mögliche Verwicklung Continentals in die Dieselgate-Affäre erfahren. Das Protokoll liegt dem Handelsblatt vor.
In der Folge gab sich Reitzle als Aufräumer. Im Zuge der Ermittlungen mussten der Finanzvorstand Wolfgang Schäfer, der Chef-Jurist und die Compliance-Chefin das Unternehmen verlassen, auch wenn sie die Vorwürfe zurückwiesen.
Rabe von Kühlewein leitete gegen alle drei Ermittlungen wegen des Verdachts auf Untreue ein. Den Anfangsverdacht stützte er auf die These, dass die drei Führungskräfte in einer Art Verschwörung versucht hatten, die Dieselaffäre unter den Tisch zu kehren. Dazu passte die Aussage Reitzles.
Widersprüchliche Aussagen

Wie sehr Rabe von Kühlewein sich mit der Darstellung Reitzles anfreundete, zeigt die Vernehmung von Georg Friedrich Wilhelm Schaeffler, die dem Handelsblatt vorliegt. Der Milliardär und Hauptgesellschafter des Autozulieferers saß seit mehr als zehn Jahren im Aufsichtsrat von Continental, als er am 10. Juni 2021 bei der Staatsanwaltschaft Hannover erschien. 
Nach einem allgemeinen Abtasten kam Rabe von Kühlewein auf einen vermeintlich neuralgischen Punkt in der Handhabung der Dieselaffäre bei Continental zu sprechen: ein Gutachten der Kanzlei Noerr. Der Vorstand hatte Noerr am 6. Oktober 2015 damit beauftragt, möglichen Verstrickungen von Continental in Dieselskandal auf den Grund zu gehen. Der Name der Untersuchung: Lupus.
Nur wenige Tage zuvor von Reitzle gebrieft, stellte Rabe von Kühlewein zahlreiche Fragen zum Projekt Lupus. Schaeffler sagte, dessen Ziel sei gewesen, eine etwaige Mitschuld des Unternehmens in der Dieselaffäre aufzudecken.
Ob Schaeffler sich da sicher sei, insistierte der Oberstaatsanwalt. Seiner Behörde lägen Unterlagen vor, denen zufolge Noerr gar nicht prüfen sollte, ob Conti in den Skandal verwickelt sei, sondern nachweisen sollte, dass dies eben nicht so war. Das sei doch ein entscheidender Unterschied. Doch Schaeffler blieb dabei: Ziel und Zweck der Untersuchung sei es gewesen, zu untersuchen, ob Continental Dreck am Stecken hat.

Wolfgang Reitzle

Führte eine Aussage des Continental-Aufsichtsratschef die Ermittler auf eine falsche Fährte?

(Foto: Linde AG)

Die Annahme, dass Continental gar keine ergebnisoffene Prüfung wünschte, hat ohnehin einen Haken. Denn Noerr schrieb auf, dass es sehr wohl ein Problem gibt: Jedenfalls zwei Mitarbeiter von Continental auf unterer Hierarchiestufe, schrieb die Kanzlei, hätten spätestens seit dem Jahr 2008 verstanden, wie die Abgase manipuliert wurden. Der Bericht liegt dem Handelsblatt in Auszügen vor.
Die besagten zwei Mitarbeiter von Continental hätten im Dezember 2008, mithin vor der Serienreife, festgestellt, dass die Abgasgrenzwerte überschritten werden. Es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig (oder eine andere Staatsanwaltschaft) in Bezug auf die betreffenden Mitarbeiter von Continental ein Ermittlungsverfahren einleiten könnte“.
>> Also read: Shareholder representatives refuse to discharge Conti chief supervisor Wolfgang Reitzle
The head of compliance presented the Noerr report at a meeting of the Audit Committee of the Continental Supervisory Board on May 2, 2016. Reitzle and Schaeffler were there. In September 2016, the panel was informed that four employees may have been aware of the manipulations. Then things went quiet for a few years. The wave of searches led by Rabe von Kühlewein only began in 2020.

Reitzle’s momentous testimony
The public prosecutor questioned Reitzle in June 2021. The investigator asked him whether the chairman of the supervisory board had actually read the investigation report by the Noerr law firm on the diesel issue himself. Reitzle’s answer: no. The investigation to clarify what the biggest scandal in the German auto industry meant for Continental only went to CEO Elmar Degenhart and the chief lawyer, said Reitzle.
That surprised the investigator. Reitzle said that he initiated the report himself, said senior public prosecutor Rabe von Kühlewein. Then, of course, the question had to be asked why Reitzle did not have the report presented to him. Because he absolutely relied on Degenhart, Reitzle replied. He simply did not believe that he had to read the report himself, said the head of the supervisory board.
In addition, said Reitzle, the chief lawyer had also confirmed to him that there was no danger for Conti in the diesel affair. The man was always correct for him, always legally precise. He never had a reason to doubt his words.

Rabe von Kühlewein put the people on the list of suspects who charged Reitzle: the chief financial officer, the chief legal officer and the head of compliance. It is now questionable whether the suspicion that the managers who have left the company tried to sweep the involvement of Continental employees under the rug will ever be confirmed. The damage is immense: for the company, but also for the resigned executives, who are still suspected of breach of trust today.
A new internal investigation by law firms Skadden Arps and Knauer is ongoing. From group circles it is said that investigation theses of the public prosecutor’s office would be supported. The suspicion of infidelity against the former executives is not the core of the investigation.
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