Daimler Truck setzt sich ambitionierte Ziele für die Expansion des Reisebusgeschäfts in Nordamerika. „Wir wollen eine treibende Kraft im Markt sein“, erklärt der Chef der neugeschaffenen Nordamerika-Bussparte, Thomas Rohde, im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Mittelfristig streben wir einen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent an.“Das wäre eine deutliche Steigerung: Aktuell hat Daimler Buses laut eigener Zählung in den USA einen Marktanteil von unter fünf Prozent. Die zuletzt in den USA vertriebenen Busse der Marke Setra basieren auf einer 20 Jahre alten Plattform. Daimler setzt in den USA daher auf einen kompletten Neuanfang.
Die Schwaben sind mit Bussen seit der Übernahme des Konkurrenten Kässbohrer und dessen Setra-Marke 1995 in den USA aktiv. Die Marke Mercedes-Benz wurde dort bisher nicht genutzt. „Das ändert sich jetzt“, sagt Rohde. Kurz vor der Coronapandemie, 2019, habe Daimler den eigenen Auftritt in Nordamerika untersucht – mit einem klaren Ergebnis: „Wir waren mit dem bisherigen Konzept nicht erfolgreich“, so Rohde.
Daimler hatte lange auf ein Generalvertretermodell gesetzt mit einem mehrmals wechselnden Hauptimporteur, der die Setra-Busse des Konzerns vertrieb. 2019 wurde die neue Tochter „Daimler Coaches North America“ (DCNA) mit Sitz in Fort Mill, South Carolina, gegründet. Rohde war ihr erster Angestellter.
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Inzwischen hat die Tochter 30 Mitarbeiter. Diese arbeiten vor allem im Importzentrum in Jacksonville, Florida, sowie als Vertriebsexperten in den vier Regionen Westküste, Nordosten, Südosten und Mitte. Im Rahmen einer Roadshow haben sie sich bei Abnehmern und Werkstätten vorgestellt.
Tourrider-Bus aus Istanbul
Erfolgreich sein will DCNA mit dem neuentwickelten Tourrider, einem komfortabel ausgestatteten Diesel-Bus für den Fernreiseverkehr, den Daimler in Nordamerika in zwei Ausstattungsstufen anbietet. Der Listenpreis liegt bei 500.000 Dollar aufwärts. Produziert werden die Busse im konzerneigenen Buswerk nahe Istanbul und anschließend exportiert.
Die Busse sind auf die Anforderungen Nordamerikas zugeschnitten und in keiner anderen Weltregion erhältlich. „Aufgrund des hohen Einsatzes von Streusalz im Nordosten der USA mussten wir den Bus als Edelstahlkonzept ausführen. Dafür wurde eine eigene Rohbauhalle in der Türkei errichtet“, erklärt Rohde. Hinzu kommen weitere amerikanische Kundenwünsche – etwa eine geteilte Frontscheibe, die den Austausch bei Steinschlag vergünstigt.
„Die ersten Kundenfahrzeuge werden Ende Oktober, Anfang November in den USA ankommen“, sagt Rohde. 2023 wolle man den Vertrieb dann deutlich steigern.
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Aus Konzernkreisen ist zu hören, dass Daimler hofft, eine mittlere zweistellige Zahl an Bussen bis zum Jahresende verkaufen zu können. 2023 soll der Marktanteil dann schon leicht zweistellig sein. Angesichts von 1700 Reisebussen, die in den USA in normalen Jahren verkauft werden, könnten dann theoretisch knapp 200 Busse abgesetzt werden.
Lässt sich der Marktanteil eines Tages tatsächlich auf 20 Prozent steigern, würde Daimler sogar über 300 Busse pro Jahr verkaufen. Rechnet man das Geschäft mit Ersatzteilen hinzu, das jedes Jahr eine vierstellige Summe pro Bus einbringt, könnte Daimler im Best-Case-Szenario mehr als 170 Millionen Dollar Umsatz mit der Bussparte in Nordamerika erzielen.
Wichtiger Fernbusmarkt
Derlei Beispielrechnungen sind jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet. So war der Neuabsatz von Reisebussen in den USA im Zuge der Coronapandemie von 1700 auf 500 eingebrochen. Und die Busse werden in den USA von vielen kleinen und mittelständischen Reiseunternehmern, von denen vier Fünftel weniger als zehn Busse besitzen, im Schnitt um ein Drittel länger betrieben als in Europa.
„Viele Kunden haben ihre Busse in zwei Pandemiejahren weniger bewegt und können folglich Neuanschaffungen hinauszögern“, sagt Rohde. Dennoch glaubt er, dass die Nachfrage nun wieder anziehen wird. „Wir haben bereits die ersten Großaufträge in den Büchern“, so Rohde. Zu den ersten Daimler-Kunden gehört Yankee Line aus Boston.
Helfen könnte bei der Expansion auch ein Partner aus Deutschland: Flixbus. Das Unternehmen aus München hat 2021 den US-Traditionsanbieter Greyhound übernommen und will in den USA kräftig wachsen. Dabei könnten Tourrider-Busse zum Einsatz kommen – auch wenn bisher nichts unterschrieben ist.
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“Of course we speak to Flixbus. We have the same goal: to get people from private transport to buses,” says Rohde. However, the Flixbus partners – the local bus companies who bring the Munich company onto their platform – would still cover a lot from the stock.
The Daimler bus business in North America should also quickly break into the black thanks to a lean cost structure. “We act like a start-up,” says Rohde. His company buys all administrative services from Daimler Truck North America, which is much larger with around 30,000 employees and also has a headquarters in Fort Mill and represents the Group’s important truck division. “We want to concentrate fully on the customer. Daimler Truck North America helps us with the administration and offers maintenance services.”
DCNA deliberately limits itself to coaches. There are no plans to sell city buses and regular-service buses in the USA. Since the public tenders in this segment of the bus market stipulate American production, Daimler cannot compete with its buses from Istanbul.
Difficult expansion
US industry experts and competitors believe that the ambitious expansion will not be easy. “Many Americans frown on driving Greyhound, Trailways and the like. Planes or cars are preferred for long-haul routes,” says a top manager from the industry. Those who drive long-distance buses often have limited income. Therefore, the reputation of the means of transport is not the best. “Daimler will have to market its buses well in order to establish them permanently.”
Daimler Truck CEO Martin Daum had already announced to the Handelsblatt in 2021 that he wanted to use the “enormously attractive” long-term potential in the bus sector: “Look at North America. So far we have hardly been present with coaches. Only recently, however, did we present a Mercedes touring coach there: extremely luxuriously equipped and networked.” Daum was convinced: “This is the ideal vehicle for replacing planes for short flights on long-distance bus routes in the USA.”
In the Handelsblatt interview, Daum had also announced hydrogen buses “in the medium term”. By 2030 there should be a “CO2-neutral” vehicle range in every segment. However, the new offer in North America is not that promising: the Tourrider buses are powered in the classic way with 450 hp diesel engines from Mannheim. There is also no electric alternative.
“We want to be directly successful over the long haul. That’s why we’re starting with buses that are based on the existing infrastructure,” explains Rohde. Own bus production in North America is not planned for the foreseeable future.
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