40 Milliarden Euro. So viel Geld haben Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW von Januar bis September zusammengerechnet verdient. Der Reingewinn der drei deutschen Autoriesen erhöhte sich damit im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um ein Drittel. Die Branche steuert auf ein Rekordjahr zu – obwohl sie immer weniger Autos verkauft.Die Produktion wird zwar wegen fehlender Halbleiter immer wieder unterbrochen. Die Hersteller nutzen die Knappheit aber geschickt: Sie bauen mehr Luxusmodelle und erhöhen die Preise. Allein die VW-Premiumtochter Audi hat in anderthalb Jahren viermal ihre Listenpreise angehoben.Ein Neuwagen kostet in Deutschland nach Berechnungen des Center Automotive Research (CAR) jetzt im Durchschnitt rund 41.300 Euro. Das ist ein Viertel mehr als vor fünf Jahren.
Autos drohten zum Luxusgut zu werden, warnen Experten bereits: „Wenn wir nicht aufpassen, könnten viele Menschen komplett aus dem Neuwagenbesitz herausgedrängt werden“, sagte Simon Schnurrer, Partner bei Oliver Wyman, dem Handelsblatt. Im ersten Schritt werde es zu Segmentverschiebungen kommen.
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„Jemand, der bisher stets mit der neuesten Golf-Generation unterwegs war, fährt künftig vielleicht eine Nummer kleiner.“ Und wer sich um seinen Job und die Heizkosten sorgt, muss bald womöglich sogar völlig auf den eigenen Pkw verzichten. Eine schnelle Besserung der Lage ist nicht in Sicht.
Kleinwagen und Einsteigermodelle werden gestrichen
„Die Preise steigen weiter“, prognostiziert Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts. Der langjährige Branchenkenner beobachtet eine drastische Veränderung im Markt. „Aus nahezu allen Segmenten steigen die Autofahrer aus oder besser gesagt um – in den SUV“, konstatiert Dudenhöffer.
„Aus nahezu allen Segmenten steigen die Autofahrer aus oder besser gesagt um – in den SUV.“ Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts
Seinen Berechnungen zufolge zählen mittlerweile 43 Prozent der Neuwagen in Deutschland zur Kategorie der sportlichen Geländewagen. „Ohne SUV läuft nichts, und SUVs sind natürlich höherpreisiger als Modelle wie der VW Golf oder klassische Limousinen.“
Die Gründe für die immer teureren Neuwagen liegen aber tiefer. Einerseits geben die Autobauer die gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Löhne an die Kunden weiter. Andererseits dünnen immer mehr Hersteller ihr Angebot an margenschwachen Kleinwagen und günstigen Basisausstattungen aus.
VW bietet beispielsweise die Einstiegsversion seines Bestsellers Golf nur noch mit 130 statt 90 PS an. Allein daraus resultiert laut einer Auswertung des ADAC ein Preisanstieg von 20.700 auf 29.560 Euro binnen eines Jahres. Mittelfristig wird zudem eine ganze Reihe von kompakten Fahrzeugen komplett verschwinden. So stellt Mercedes die A-Klasse und die B-Klasse gegen 2025 ein. Audi streicht den A1 ebenso wie den Q2, und Ford verabschiedet sich vom Fiesta.
Darüber hinaus gewähren die Hersteller kaum noch Rabatte. „Wir haben es geschafft, das Incentive-Level auf ein ganz niedriges Niveau zu bringen“, frohlockte Nicolas Peter, Finanzvorstand von BMW, am Donnerstag. Sein Konzern sei trotz der sich eintrübenden Konjunkturaussichten in der Lage, weiterhin „gute Preise“ am Markt zu erzielen.
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Ähnlich äußerte sich jüngst Harald Wilhelm, Finanzchef von Mercedes-Benz. „Wir haben definitiv nicht die Absicht, die Listenpreise zu senken, und wir haben keine Absicht, die Rabatte zu erhöhen.“ Um die hohen Margen seines Konzerns zu verteidigen, würde der Manager im Falle einer scharfen Rezession im Zweifel eher das Produktionsvolumen drosseln, als Abschläge auf die Fahrzeuge mit dem Sternenlogo zu gewähren.
Der Autobesitz könnte die Mittelschicht spalten
„Das Auto wird zunehmend zum Symbol der gesellschaftlichen Spaltung“, konstatiert ein hochrangiger Manager eines deutschen Autobauers. Während einige sich immer größere und teurere Karossen leisten, seien für viele Normal- und Geringverdiener nur noch gebrauchte Fahrzeuge eine Option, die die Umweltvorgaben kaum noch erfüllen.
„Wenn der Autobesitz plötzlich nur noch für reiche Leute möglich ist, ist das eine gefährliche Sache“, warnte vor diesem Hintergrund kürzlich BMW-Chef Oliver Zipse.
Carlos Tavares, Vorstandschef des weltweit viertgrößten Autobauers Stellantis, zu dem auch der Rüsselsheimer Traditionsbetrieb Opel zählt, weist seit Jahren darauf hin, dass die hohen Kosten von batterieelektrischen Autos womöglich zu langsam sinken. Es drohe ein Szenario, bei dem sich selbst viele Haushalte aus der Mittelschicht künftig keinen Neuwagen mehr leisten könnten.
VW Golf
VW bietet die Einstiegsversion seines Bestsellers nur noch mit 130 statt 90 PS an.
(Foto: imago images/Jan Huebner)
Den teilweisen Rückzug von Autobauern wie Mercedes oder Audi aus den unteren Fahrzeugsegmenten sieht Berater Schnurrer kritisch. „Die Gefahr dabei ist, dass die Skaleneffekte so weit absinken, dass wichtige Lieferanten einen als zweitrangig einstufen“, sagt der Autofachmann von Oliver Wyman. „Gerade bei Halbleitern oder Batteriezellen steigt die Bereitschaft zuzuhören schon sehr stark, wenn man große Verkaufsvolumina mitbringt.“
Hersteller von Premiumautos können die anhaltende Teuerung eher verkraften. Ihre Kunden sind zahlungskräftiger und kaufen die Fahrzeuge trotz steigender Preise. Massenhersteller sind hingegen weniger flexibel, bei ihren Kunden sitzt das Geld nicht so locker.
Auch Ford und Seat wollen edel und teuer werden
Trotzdem beteiligen sich auch Volumenhersteller am Trend zur Höherpositionierung. Beispiel Ford: Die Europatochter des US-Konzerns streicht die Kleinwagen aus dem Modellprogramm und will im Elektrozeitalter nur noch größere Autos verkaufen. „Unser Fokus liegt auf weniger, aber dafür volumenstarken, profitablen Segmenten“, sagte Ford-Pkw-Chef Martin Sander jüngst im Gespräch mit dem Handelsblatt.
„Mit einem Cupra Formentor ist die Rentabilität etwa viermal so hoch wie beim kleinen Seat Ibiza.“ Seat-Vorstandschef Wayne Griffiths
Ford Europa verbuchte in den vergangenen Jahren Milliardenverluste. Die neue Modellstrategie soll dauerhaft schwarze Zahlen garantieren.
Auch die spanische Volkswagen-Tochter Seat verpasste in der Vergangenheit häufig genug die Gewinnzone. Deshalb hat Seat die neue Zweitmarke Cupra geschaffen und in einem deutlich höheren Fahrzeugsegment positioniert. „Mit einem Cupra Formentor ist die Rentabilität etwa viermal so hoch wie beim kleinen Seat Ibiza“, sagt Seat-Vorstandschef Wayne Griffiths.
Massenhersteller wie der Volkswagen-Konzern stehen vor dem Grundproblem, dass es im Einstiegs- und Kleinwagen-Segment so gut wie keine echten Elektroautos gibt. Bei VW ist der Polo als Verbrenner seit Jahrzehnten eine feste Größe. Doch bislang hat es der Wolfsburger Autohersteller nicht geschafft, ein entsprechendes elektrisches Gegenstück auf den Markt zu bringen.
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The batteries are still far too expensive. For the year 2025, VW is planning the electric counterpart to the Polo. “At an entry-level price of well under 25,000 euros,” promises Volkswagen brand boss Thomas Schäfer. Then there should be the cheaper batteries with a new chemical composition that allow an economically viable small electric car.
However, the small electric car planned by VW will not be a bargain even with the cheap battery. The entry-level price of the Polo with a petrol engine is currently less than 20,000 euros. Volkswagen will not reach this mark with the entry-level electric model.
In addition, established car manufacturers in the electric segment have to fear new competitors from China. Manufacturers such as Great Wall, BYD, Nio and SAIC are now also pushing into Europe. They produce inexpensively, especially the smaller models. “Chinese car manufacturers could also set up their own production in Europe very quickly,” predict the analysts from the market research company LMC Automotive.
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