BMW-Großaktionärin Susanne Klatten tritt als Aufsichtsratschefin des Grafit-Spezialisten SGL Carbon ab. Die 60-Jährige wolle ihr Mandat im Aufsichtsrat nach der Hauptversammlung am 9. Mai aus persönlichen Gründen vorzeitig abgeben, teilte das SDax-Unternehmen am Dienstag mit.Klatten ist seit 2009 Mitglied des Aufsichtsrats und seit 2013 die Vorsitzende des Kontrollgremiums. Ihre jetzige Amtszeit läuft eigentlich bis Mitte 2025. „In den vergangenen Jahren haben sich meine unternehmerischen und gesellschaftlichen Engagements vervielfältigt“, verweist Klatten auf wachsende Belastung. Auch künftig möchte sie neue Schritte gehen und bestehende Unternehmungen ausbauen. „Diese Ziele kollidieren mit der zeitintensiven Aufgabe als Aufsichtsratsvorsitzende der SGL Carbon“, erklärt die BMW-Erbin.
Über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion bleibt Klatten aber mit 28,5 Prozent größte Einzelaktionärin des Wiesbadener Unternehmens. SGL stellt etwa Kohlenstofffasern und Verbundwerkstoffe für die Autoindustrie, aber auch für Energietechnik und im Sportbereich her. Klatten, so hieß es aus dem Umfeld der Unternehmerin, habe das Gefühl ihre Ziele bei SGL erreicht zu haben.
Susanne Klatten hat sich mit Kohlefaser verkalkuliert
Tatsächlich hatte die Multi-Aufsichtsrätin mit ihrem Engagement beim SDax-Konzern große Pläne verbunden – die musste sie im Laufe der Jahre aber immer wieder revidieren. Die Quandt-Erbin, die gemeinsam mit ihrem Bruder Stefan die Hälfte der Stimmrechte des Autokonzerns BMW kontrolliert, sah in SGL in den Jahren 2008 und 2009 ein Schlüsselunternehmen für die Zukunft der Autoindustrie.
Das Unternehmen, das aus der Sparte der Grafitelektrodenproduktion des Chemiekonzerns Hoechst am Standort Griesheim hervorging, hatte zu diesem Zeitpunkt zwei Geschäftsfelder. Das wichtigste war die Herstellung von Grafitelektroden, die für das Einschmelzen von Schrottstahl genutzt werden.
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Der kleinere Bereich stellte Kohlefaser her – ein Werkstoff mit dem Boeing damals gerade seinen „Dreamliner“ baute und so Airbus übertrumpfte. Bei BMW sah man in dem leichten und stabilen Werkstoff eine Chance, Autokarosserien leichter zu machen.
SGL Gruppe
Der Grafitspezialist verliert seine prominente Aufsichtsrätin.
(Foto: dpa)
BMW entwickelte ab 2009 unter großer Geheimhaltung das Elektroauto „i3“ – erstmals mit einer Karosserie aus Kohlefaser. Das Kalkül: Die mäßige Reichweite der Batterie sollte mit der ultraleichten Karosserie kompensiert werden. Um sich einen Vorsprung zu sichern, kaufte Klatten einen SGL-Anteil. Das provozierte den Zorn des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch, der daraufhin seinerseits Anteile erwarb. Am Ende setzte sich Klatten durch, denn auch BMW kaufte sich bei SGL ein.
Doch das Unterfangen war schwieriger, als Klatten und die Manager des Münchener Automobilkonzerns glaubten. Die Produktion der Kohlefaser blieb aufwendig und damit teuer, der erhoffte Zuwachs an Reichweite auf der Straße dafür minimal. Zwar bauten BMW und SGL ein Joint Venture auf, mit einer Produktion in den USA und einer Weiterverarbeitung in Wackersdorf, doch die Kapazitäten wurden nie ausgelastet.
SGL Carbon wurde zum Sanierungsfall
Stattdessen kam mit Tesla in den Jahren 2014 und 2015 ein Newcomer auf den Markt. Statt auf Kohlefaser setzte Tesla auf leistungsstärkere Batterien. „Wir hatten auf den falschen Hebel gesetzt“, bekannte später ein BMW-Manager. Ab 2015 stoppte BMW weitere Kohlefaser-Projekte. Intern wurden die Kosten für das Carbon-Abenteuer auf rund drei Milliarden Euro taxiert. Heute wird Kohlefaser nur noch für Spezialanwendungen genutzt – vorzugsweise für Sportwagen.
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Graphite electrodes, SGL’s second major business area, also did not develop according to plan. The electrodes are a central component of the melting process for steel scrap, and SGL was the world leader in this technology. The construction boom and steel demand in China created a high demand for recycled steel. However, it ended abruptly: China was producing more and more new steel at lower costs, and recycled steel was no longer worthwhile.
In addition, the Chinese are now also producing cheaper graphite electrodes. For Susanne Klatten, the supposedly sustainable investment became a case for restructuring. In 2013 she took over the chairmanship of the supervisory board from Max Dietrich Kley – an unusual maneuver for the entrepreneur, who never aspires to the top of the controllers at her other holdings. But she felt she had no other choice.
The clean-up work began: BMW withdrew from the joint venture with SGL in 2018. SGL sold its graphite electrode business to a Japanese competitor, thereby losing around half of its business volume.
Susanne Klatten: BMW remains the main investment
Klatten had entire hierarchical levels eliminated and the management downsized. The carbon fiber group with volume business has become a specialist supplier over the years. The business is profitable again, but has shrunk significantly with sales of almost one billion euros.
Klatten remains invested in SGL, but the much more important stake remains BMW, where she has been on the supervisory board with her brother for almost three decades. The car company is likely to have closed the past year with sales well over 100 billion euros and is heading for a record profit. From the 2022 financial year alone, the siblings could receive billions in dividends.
In addition to BMW, Klatten has half a dozen other mandates in industry and society. She is a member of the supervisory board at the pharmaceutical company Altana, which she controls completely. In Munich, she is also on the supervisory board of the start-up incubator UnternehmerTum of the Technical University, which she supports financially.
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First publication: 02/14/2023, 3:22 p.m.