Markus Schäfer darf auf eine zweite Amtszeit als Chefentwickler bei Mercedes-Benz hoffen. Der im Mai 2024 auslaufende Vertrag des Diplom-Ingenieurs dürfte spätestens im Herbst um zunächst zwei Jahre verlängert werden, erfuhr das Handelsblatt aus Konzernkreisen. Schäfer mache in Summe einen guten Job und solle diesen fortsetzen, heißt es aus dem Umfeld des Aufsichtsrats. Mercedes wollte sich dazu nicht äußern. Die Personalie polarisiert. Der Technikvorstand ist zwar in seinem eigenen Bereich anerkannt und durchaus beliebt. Im Vertriebs- und Finanzressort reagieren dagegen einige Manager mitunter schon allergisch, wenn sie nur Schäfers Namen hören. Sie werfen ihm mangelnde Innovationskraft, lahmende Elektroverkäufe und ausufernde Kosten vor. Hinzu käme ein Hang zur Überheblichkeit.
So soll Schäfer zuletzt beispielsweise in mehreren Runden erklärt haben, dass Mercedes technologisch „besser“ unterwegs sei als der amerikanische Elektroautopionier Tesla. Ein Anfall von Hochmut, meinen seine Kritiker. Wohlgesinnte sprechen dagegen von einer korrekten Einordnung, etwa mit Blick auf hochautomatisierte Fahrsysteme, für die Mercedes im Gegensatz zu Tesla eine Straßenzulassung besitzt.
Kein ernsthafte Alternative
Auch Mercedes-Chef Ola Källenius und Oberkontrolleur Bernd Pischetsrieder haben offenbar wenig Zweifel an Schäfer. Das liegt auch daran, dass sich intern kein Alternativkandidat aufdrängt. Und selbst falls es extern jemanden geben sollte – er oder sie bräuchte Zeit, um sich einzuarbeiten, heißt es in Konzernkreisen. Zeit, die man mitten in der größten Transformation der Autoindustrie seit mehr als hundert Jahren einfach nicht habe.
Vieles von der Kritik an Schäfer sei zudem „systemimmanent“, sagt ein Insider. Als Entwicklungschef könne man es nie allen recht machen. Der Vertriebs- und Finanzapparat denke viel kurzfristiger. Die Zyklen in der Entwicklung seien dagegen sehr lang. Hier könne niemand Unfehlbarkeit erwarten. Für Schäfer spricht zudem: Er brennt für Mercedes, gilt als gut organisiert und führt angestoßene Prozesse meist konsequent zu Ende.
>> Lesen Sie außerdem: Mercedes führt ein eckiges Lenkrad ein – und startet bei seinem Luxus-Modell
Der 58-Jährige ist ein Eigengewächs der Marke mit dem Stern. Schäfer trat 1990 in die Nachwuchsgruppe des Unternehmens ein und arbeitete sich über die Jahre nach oben. Er war Werksleiter in Ägypten, leitete das US-Geschäft und wurde 2014 zum Bereichsvorstand für Produktion ernannt.
In dieser Funktion entmachtete er nahezu geräuschlos die Werksleiter und etablierte architekturbasierte Fertigungsverbünde, um flexibler produzieren zu können. Das kam bei den Mächtigen im Konzern gut an, Schäfer wurde befördert und verantwortet seit 2019 die Entwicklung und den Einkauf bei Mercedes. Es ist das wichtigste Ressort im Konzern.
Schäfer liebt kurze Wege und flache Hierarchien. Als Technikvorstand beorderte er kurzerhand alle Topentwickler in der weitverzweigten Forschungszentrale in Sindelfingen zu sich ins Großraumbüro. Ein Kulturschock. Seither wird auf Zuruf gearbeitet. Zu tun gibt es genug. Schäfer muss das Modellportfolio der Marke brachial auf Luxus trimmen.
Widersacher geht zu Porsche
Kleine, kaum rentable Baureihen wie A-Klasse und B-Klasse werden perspektivisch eingestellt. Das Geschäft mit lukrativen Submarken wie AMG und Maybach wird dagegen kräftig ausgebaut. Schäfer ist zudem für die Umsetzung der „Electric only“-Strategie verantwortlich. Bis 2030 will Mercedes möglichst nur noch vollelektrische Fahrzeuge verkaufen. Die einst fast zehn Architekturen werden dafür im Kern auf drei Plattformen komprimiert.
Der Abschied vom Verbrenner fällt den Schwaben jedoch schwer. Der EQC, das erste Strom-SUV der Firma, ist ein Flop. Und gerade in China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, kann Mercedes auch mit seinen anderen Elektroautos bisher kaum reüssieren. Die Folge: Reine Stromer machen gerade einmal ein Zehntel des Gesamtabsatzes von Mercedes aus. Diesel und Benziner sind weiter dominant.
>> Read more: This is how Mercedes, VW and Co. want to turn their lame e-car business in China
Schäfer must reverse this relationship. Some of the future vehicles have already been developed and should score points with ranges of more than 800 kilometers and outstanding efficiency values. However, controllers fear that margins will collapse, especially for medium-sized vehicles such as the next generation of CLA and GLB. In addition, Mercedes still has to prove whether its own MB.OS software architecture is competitive.
Mercedes initially wanted to develop the operating system, which cost several billion, largely itself. The former software boss Sajjad Khan, who openly opposed Schäfer, was responsible. In the power struggle, Schäfer retained the upper hand. Khan had to go and Mercedes opened up MB.OS more to collaborations with tech giants like Google. If MB.OS is a success, Schäfer’s contract could be extended again beyond 2026.
Meanwhile, his adversary Khan is moving to Porsche in November, as the sports car manufacturer announced on Tuesday during its annual general meeting in Stuttgart. The 49-year-old is to head a new area called Car-IT in Zuffenhausen, so the board will be expanded. The personnel had been expected for a long time, but Mercedes had not released the manager for the rival earlier.
Recently, Porsche was anything but happy with the Cariad software unit, which supplies the entire Volkswagen group. Khan’s homework book should therefore include not only better coordination with Cariad but also Porsche’s own car IT strategy. The Zuffenhausen-based company is increasingly going its own way, recently announcing a cooperation with the Israeli Intel subsidiary Mobileye in the field of automated driving, which was explicitly presented as a Porsche deal.
More: The Chinese electric car manufacturer Denza is booming – but only since the separation from Mercedes