Das Lenkrad neu erfinden
Mercedes setzt in Zukunft auf ein Lenkrad mit vier Ecken.
Joystick, Controller, Steuerhorn: Seit Jahrzehnten versuchen Autobauer, das Lenkrad neu zu erfinden – und scheitern. Selbst die meisten Tesla-Kunden bevorzugen weiterhin die klassische Kreisform zum Manövrieren. Das liegt auch am Einsatz veralteter Technik, glauben die Ingenieure von Mercedes-Benz und wollen es besser machen.
Die nächste Generation der Luxuslimousine S-Klasse, die der Stuttgarter Dax-Konzern gern als das beste Automobil der Welt bewirbt, werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein abgeflachtes und möglichst kompaktes Steuerrad haben, erfuhr das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen.
Die eckigere Form ermögliche einen unverstellten Blick auf Straße und Fahrerdisplay, erklärt ein Mercedes-Entwickler. Zudem spart die Konstruktion Platz. Die neue S-Klasse kommt voraussichtlich Ende 2027 auf den Markt, fährt dann womöglich teils schon vollautonom. Da biete sich ein kleines Lenkrad an, das optional ins Armaturenbrett eingefahren werden kann. Mercedes wollte sich dazu nicht äußern.
Mercedes baut neues Lenkrad: Die Lenksäule entfällt
Bisher verschmäht der Großteil der Kunden kantigere Lenkraddesigns. Das „Yoke“-Steuerhorn von Tesla lässt sich etwa von oben nicht richtig greifen. Das empfinden viele Nutzer als gewöhnungsbedürftig – besonders bei Rangiermanövern. Mercedes will das Problem lösen, indem der Konzern die mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern kappt: die Lenksäule.
Die Fahrbefehle sollen künftig elektronisch übermittelt werden. Dank der „Steer-by-Wire“ genannten Technik lässt sich der Einschlagwinkel von Autos via Software variabel auf unterschiedliche Verkehrssituationen anpassen. Lästiges Übergreifen beim Abbiegen, Wenden oder Parken entfällt bei geringen Geschwindigkeiten. Bei hohem Tempo winkeln sich die Räder dagegen kaum an, um sanfte Spurwechsel zu garantieren.
Alle namhaften Autozulieferer bieten mittlerweile „Steer-by-Wire“-Lösungen an und buhlen um Aufträge. ZF Friedrichshafen verspricht seinen Kunden aktuell beispielsweise Lenkradwinkel von maximal 180 Grad. Lexus, die Premiummarke des weltgrößten Autobauers Toyota, will ab 2025 Modelle mit elektronischen Lenkungen auf den Markt bringen.
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Auch Tesla arbeitet an solch einem System, wie eine Patentanmeldung zeigt. Wann genau die Amerikaner es einführen möchten, ist aber unklar. Mercedes will die mechanische Lenkung mit dem nächsten Facelift seiner Stromlimousine EQS abschaffen – also in zwei bis drei Jahren.
Zum Start der Mercedes-Benz Electric Architecture (MB.EA-L), der künftigen Einheitsplattform für große und lange Fahrzeuge, ändern die Schwaben dann zusätzlich die Form des Lenkrads. Das dürfte dann auch weitere Modelle betreffen. Denn auf dieser Stromarchitektur wird in etwa fünf Jahren die nächste Generation von Luxus-Bestsellern wie S-Klasse, E-Klasse und GLE gebaut.
Neues Mercedes-Lenkrad: Die Touchflächen sind unbeliebt
Als Designvorlage für das neue Lenkrad dient den Schwaben unter anderem ein „Experimental-Sicherheitsfahrzeug“ aus dem Jahr 2019 oder das jüngst vorgestellte Sportwagen-Showcar „Vision One Eleven“. Die beiden Unikate haben jeweils ein rechteckiges Steuerrad.
Man braucht viel zu viel Feingefühl im Daumen. Mercedes-Manager über das digitale Lenkrad
Mercedes überarbeitet aber nicht nur das Design seiner Lenkräder, sondern auch die Bedienung und die Anzahl der damit einhergehenden Funktionen. Seit Sommer 2020 schwört die Marke mit dem Stern zumindest bei Neuwagen mit besonders großen Bildschirmen statt klassischer Instrumententafeln auf sogenannte kapazitive Lenkräder. Diese arbeiten ausschließlich mit digitalen Signalen, also ohne mechanische Tasten.
In den Lenkrad-Speichen gibt es 16 Bedienfelder, acht links und acht rechts mit jeweils zwei Touch-Slidern, über die sich etwa der Tempomat oder die Lautstärke des Multimediasystems regulieren lässt. Wie beim Smartphone wird alles über Wischgesten und Drucksignale gesteuert. Mercedes verspricht seinen Kunden seit Einführung der kapazitiven Systeme eine High-Tech-Kommandozentrale.
Statt des erhofften Lobs erhält Mercedes für sein digitales Lenkrad jedoch reichlich Kritik, bestätigen Insider. Bei kalten Temperaturen würden die Touchflächen kaum reagieren, klagen Nutzer. Zudem scheint es öfters zu Fehlbedienungen durch unabsichtliche Berührungen zu kommen. Und überhaupt sei die ganze Steuerung mäßig intuitiv, räumt ein Manager ein: „Man braucht viel zu viel Feingefühl im Daumen.“
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The result: Mercedes is turning and wants to use mechanical buttons in the steering wheel again in the future. However, the roll backwards takes place with an intermediate step. All compact and medium-sized sedans and SUVs such as the CLA, GLA or GLB, which will be launched with electric drives on the MMA platform from the end of 2024, will initially retain pure touch operation on the steering wheels.
After all: The touch fields in these series should be reduced compared to current steering wheel versions. “It will be clearer,” it says internally. Real buttons will probably only be used again, at least in part, when the MB.EA platform is launched for the particularly large and long luxury Mercedes cars such as the S-Class or GLS.
Volkswagen is more consistent there. Like Mercedes, the Wolfsburg-based vehicle manufacturer has meanwhile opted for a capacitive steering wheel control. After sharp criticism from many customers, the Lower Saxony have announced that such systems will be completely abolished.
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First publication: 06/26/2023, 4:19 p.m.