Auf eines konnten sich die deutschen Autozulieferer immer verlassen: die technologische Spitzenstellung ihrer wichtigsten Abnehmer. Vom Antiblockiersystem ABS bis zur elektronischen Motorsteuerung – stets waren BMW, Mercedes und der VW-Konzern die Ersten in der Branche. Doch das ist offenbar vorbei.„Chinesische Autohersteller sind bei einer hohen Entwicklungsgeschwindigkeit gleichzeitig extrem technologieaffin und setzen neue Technologien früher ein als andere“, sagt ZF-Vorstand Stephan von Schuckmann dem Handelsblatt. Was viele in der Branche als Bedrohung sehen, ist für den ZF-Manager eine Chance. „Wir industrialisieren bereits heute eine Vielzahl unserer Neuentwicklungen zuerst in China und dann erst in Europa.“Erstkunde für die elektronische Lenkung („Steer-by-Wire“) war der chinesische Autobauer Nio. Seine 800-Volt-Leistungselektronik für schnelles Laden baut ZF in Topmodelle der chinesischen Autobauer ein.
Bosch, Continental und ZF berichten, dass die Anzahl der Aufträge von chinesischen Autoherstellern von Jahr zu Jahr deutlich zunimmt. Mittlerweile sei die Wachstumsdynamik von Herstellern aus China im Auftragsportfolio höher als von Volkswagen, BMW und Mercedes, berichtet ein Manager eines großen deutschen Zulieferers.
Geliefert wird dabei so gut wie alles, was die deutschen Zulieferer entwickelt haben. Bosch beliefert die Marke MG, die zum Saic-Konzern zählt, mit einem Fahrerassistenzsystem. Der chinesische Elektroautohersteller Changan, nach Marktanteilen hinter BYD, Tesla und GAC Aion die Nummer vier in China, ist einer der größeren Kunden von Continental. Der Dax-Konzern liefert unter anderem ABS-Systeme, Bremskraftverteiler und Traktionskontrollen. Von Bosch bezieht Changan das Steuergerät für das Infotainmentsystem.
Nio kauft bei Bosch Batteriemanagementsysteme, Rotoren für den Elektromotor und diverse Steuergeräte ein, Xpeng die elektrische Lenkung. Für Leapmotor, einer der aufstrebenden Newcomer aus China, liefert Conti unter anderem eine Break-by-Wire-Lösung. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Bremssystem, bei dem das Bremspedal den Bremsbefehl elektronisch und ohne Seilzug übermittelt.
Conti teilt zudem mit, zwei Aufträge für Hochleistungsrechner von chinesischen Herstellern erhalten zu haben. Einer davon ist die Aion-Premiummarke Hyper.
Bei chinesischen Elektroautos, die über 100.000 Euro kosten, werden Sie kaum erkennen, dass es ein nichteuropäisches Fahrzeug ist. Harald Marquardt, Chef des gleichnamigen Autozulieferers
Die Folge: Die chinesischen Anbieter bringen technologisch gleichwertige Autos auf den Markt und werden preislich deutlich günstiger sein als die deutschen Konkurrenten.
Vielleicht noch schlimmer aus deutscher Sicht und besonders für die neueste Luxusstrategie von Mercedes: „Bei chinesischen Elektroautos, die über 100.000 Euro kosten, werden Sie kaum erkennen, dass es ein nichteuropäisches Fahrzeug ist“, sagt Harald Marquardt, Chef des gleichnamigen süddeutschen Autozulieferers.
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Auch Bosch-Chef Stefan Hartung macht keinen Hehl daraus, dass die Chinesen dem weltgrößten Autozulieferer in seinem Heimatland willkommen sind: „Konkurrenz ist immer gut und verbessert das Angebot. Das gilt auch für chinesische Autohersteller, wenn sie mit ihren Elektromodellen auf den deutschen und europäischen Markt kommen“, sagt Hartung am Rande einer Technikvorführung. Für Bosch seien grundsätzlich alle Autohersteller potenzielle Kunden, „besonders wenn sie unsere Innovationen wertschätzen“.
Stellantis-Chef bringt Protektionismus ins Spiel
Schon jetzt denken manche Autobauer wie Stellantis-Chef Carlos Tavares laut über Protektionismus nach und stehen damit in Konflikt mit den Interessen der Zulieferer.
„Schutzzölle sind der falsche Weg, wettbewerbsfähige Elektroautos hinsichtlich Kosten, Software und Effizienz sind der Schlüssel zum Erfolg“, sagt ZF-Manager von Schuckmann. Die Zölle würden der Industrie ohnehin nicht lange helfen. Denn von Schuckmann ist überzeugt, dass „chinesische Autobauer auch in Deutschland Werke übernehmen oder aufbauen werden“.
ZF-Manager Stephan von Schuckmann
„Schutzzölle sind der falsche Weg, wettbewerbsfähige Elektroautos hinsichtlich Kosten, Software und Effizienz sind der Schlüssel zum Erfolg.“
(Foto: IMAGO/BeckerBredel)
Die engen China-Kooperationen sind allerdings nicht ungefährlich. Denn in der kommunistischen Diktatur selbst wächst auch eine Zuliefererindustrie. „Mit dem Wohlwollen der chinesischen Regierung beginnen sich auch in diesem Bereich internationale Champions zu formen“, gibt Capgemini-Berater Peter Fintl zu bedenken. Das reiche bereits von Schlüsselkomponenten für den E-Antrieb über elektronische Steuergeräte bis zum kompletten Interieur des Fahrzeugs.
Zulieferer wollen Abhängigkeit von deutscher Autoindustrie senken
Die deutschen Zulieferer können sich allerdings nicht leisten, wählerisch zu sein. Mahle-Chef Franz verweist darauf, dass es noch Jahre dauern werde, bis die deutschen Autozulieferer Geld mit der Elektromobilität verdienen würden. Dafür sorgen nicht nur milliardenschwere Entwicklungskosten, sondern auch gigantische Anlaufkosten der Produktion bei noch vergleichsweise kleinen Stückzahlen. Deshalb erhofft sich auch Franz mehr Geschäft mit chinesischen Herstellern: „Da gibt es noch viel Potenzial.“
Autozulieferer ZF, Bosch
Die Anzahl der Aufträge von chinesischen Herstellern nimmt bei den deutschen Zulieferern von Jahr zu Jahr deutlich zu.
(Foto: imago images, Sven Döring für Bosch [M])
Ganz nah an den Kunden geht ZF: Der Chef der Antriebssparte, von Schuckmann, führt seinen weltweiten Konzernbereich künftig von Shanghai aus. „Die Verarbeitungsqualität ist sehr hoch, die Softwarekompetenz außerordentlich. Das sind sehr, sehr gute Fahrzeuge und sie werden in einem Drittel der Zeit auf die Straße gebracht“, betont von Schuckmann.
Die chinesische Expansionsstrategie wird auch im September in München sichtbar sein. Auf der diesjährigen Automobilausstellung IAA haben die chinesischen Autobauer mehr Flächen gebucht als je zuvor. „Das wird der Auftakt zur Offensive auf dem Heimatmarkt von Mercedes, BMW und VW“, weiß ein Automanager. BMW soll schon zusätzliche Flächen bei der Münchener Messe nachgeordert haben, um kein Missverhältnis aufkommen zu lassen.
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Not a good omen for the German car manufacturers, whose electric models are still a long way off in many segments. Audi had to postpone important model launches due to software problems. Due to fundamental strategic errors, Volkswagen will have to build its vehicles on the current MEB electric platform for around six years before it is replaced by a new platform. “That’s absurd compared to the pace of Chinese developers,” says a veteran senior executive in the auto industry who has now moved to the IT industry.
In any case, Bosch, ZF and Continental do not want one thing in the transformation: to go to ruin with the German auto industry. While German carmakers are losing market share as Chinese manufacturers gain strength, this development can be an opportunity for suppliers to reduce their dependency on domestic manufacturers.
The relationship between German suppliers and German car manufacturers can be understood as a kind of love-hate relationship. Bosch, Continental and ZF benefit from a manufacturer like Volkswagen, which has supplied the three largest suppliers with a large number of orders for decades. However, the price negotiations with Wolfsburg are notorious. Supplier managers regularly report behind closed doors that Europe’s largest car manufacturer is exerting enormous price pressure in some cases.
Bosch, Continental and ZF hope for a better negotiating position
However, the suppliers were often unable to do without the orders, since the possible loss of orders could not be compensated for by other customers. This means that the stronger the competition among car manufacturers, the more the market shares are spread out, the lower the dependency on manufacturers such as VW and the stronger the negotiating position of the suppliers.
And the sting from the past few years is still deep. The car manufacturers raked in record profits with double-digit returns, while the car suppliers hardly got their money’s worth.
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First publication: 07/20/2023, 2:40 p.m.