Nichts bleibt, wie es mal war. Mercedes-Benz überholt den Antriebsstrang seiner Elektroautos von „A bis Z“, kündigte Vorstandschef Ola Källenius an. Vom Motor über das Getriebe bis zur Leistungselektronik, Batteriezellchemie und der Wärmepumpe entwickeln die Schwaben alles neu. Damit will Källenius einen Effizienzschub erwirken und das sparsamste vollelektrische Serienauto der Welt auf die Straße bringen.Was das heißt, präsentierte der schwedisch-deutsche Manager am Sonntag im Vorfeld der Branchenmesse IAA Mobility in München mit dem „Concept CLA“. Das Fahrzeug mit Glasdach und XXL-Display ist bereits sehr nahe dran an jener Limousine, die Kunden ab 2025 kaufen können. Und Källenius verspricht nicht weniger als so etwas wie das „Ein-Liter-Auto“ des Elektrozeitalters.
Tatsächlich markiert der angestrebte Stromverbrauch von lediglich zwölf Kilowattstunden pro hundert Kilometer einen neuen Rekord. Viele Elektroautos benötigen doppelt so viel Energie für die Strecke. Mit einer Reichweite von 750 Kilometern und der Fähigkeit, bis zu 400 Kilometer in 15 Minuten nachzuladen, soll der CLA zum Maß der Dinge in der Kompaktklasse werden.
Zum Vergleich: Das gerade runderneuerte Tesla Model 3 als schärfstes Konkurrenzprodukt verbraucht 14,4 Kilowattstunden, kommt maximal 629 Kilometer weit ohne Ladestopp und kann binnen einer Viertelstunde am Supercharger nur 282 Kilometer nachladen.
Auch BMW erklärt Effizienz zur neuen Leitwährung der Industrie. Mit der ersten Baureihe der „Neuen Klasse“, einer kompakten Elektrolimousine analog zur heutigen 3er-Reihe, streben die Münchener einen Verbrauch von nicht weniger als 13 Kilowattstunden pro hundert Kilometer an. „30 Prozent mehr Reichweite, 30 Prozent schnelleres Laden“, verspricht BMW-Chef Oliver Zipse am Wochenende in einer Industriehalle im Münchener Norden.
Der Erfolgsdruck für Mercedes und BMW auf der IAA ist hoch
Am Vorabend der IAA wähnen sich Mercedes und BMW mit ihren neuen Stromlimousinen bereits vor Tesla und auch vor der erstarkten Konkurrenz aus China – zumal die beiden Superstromer der Deutschen nur die Vorläufer einer breiten Produktoffensive bei den Konzernen darstellen. Allein BMW hat neben der in München gezeigten kompakten Stromlimousine ein halbes Dutzend weiterer Modelle auf Basis der „Neuen Klasse“ in der Planung.
Noch vor 2030, so das interne Ziel, soll der Elektroanteil der Münchener auf 50 Prozent steigen – das wären deutlich mehr als eine Million Elektroautos pro Jahr. Die „Neue Klasse ist mit Abstand die größte Investition in unserer Geschichte“, sagt Entwicklungsvorstand Frank Weber. Der Erfolgsdruck für BMW und Mercedes ist enorm. Noch haben neun von zehn Neuwagen der Premiumhersteller einen Verbrennungsmotor unter der Haube.
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In China, dem größten Pkw-Markt der Welt, hat Mercedes von Januar bis Juli gerade einmal 13.600 Stromer verkauft. BMW setzte zeitgleich immerhin 52.300 Elektroautos in Fernost ab – allerdings teils mit äußerst hohen Rabatten. Und die beiden Topmodelle der Konzerne, der Mercedes EQS und der BMW i7, sind in China bisher eher Ladenhüter.
Intern steigt die Nervosität. Mercedes-Chef Källenius hat eine „Electric only“-Strategie ausgerufen, will bis Ende des Jahrzehnts möglichst nur noch batterieelektrische Fabrikate verkaufen. Die Realität sei aber vielmehr „Verbrenner only“, heißt es in Konzernkreisen. Die Antriebswende geht infolge mangelnder Ladesäulen und gekappter Fördergelder vor allem in Deutschland langsamer vonstatten als von Källenius erwartet.
Neuen Modelle sollen ab 2025 auf den Markt
Rein finanziell betrachtet ist das sogar eher eine gute Nachricht. Die Margen von Diesel und Benzinern sind derzeit noch deutlich höher als jene von Elektroautos. Mit einer Rendite von 13 Prozent war Mercedes einer Berechnung der Beratung EY zufolge der profitabelste Autohersteller der Welt, BMW liegt auf Rang drei. BMW-Chef Zipse hat den Verbrenner auch deswegen nie abgeschrieben.
„Concept CLA“
(Foto: Mercedes-Benz)
Erst vor wenigen Tagen äußerte er im Handelsblatt-Interview große Zweifel an dem von der EU vorgegebenen Verbrenner-Aus für das Jahr 2035. „Fahrlässig“ sei der absolute Vorzug des Elektroautos, so der BMW-Chef, schließlich fehle es in der Masse an Rohstoffen und Ladesäulen. BMW investiert deshalb weiter auch in Verbrennungsmotoren. Bis weit in die 30er-Jahre des kommenden Jahrzehnts will Zipse Benzin und Diesel im Angebot halten.
Allein im US-Markt verdient BMW Milliarden mit hochmotorisierten Geländewagen, die der Konzern in South Carolina produziert. Auch in der Mercedes-Fabrik in Alabama läuft die Verbrennerproduktion weiter auf Hochtouren. Mercedes, so die offizielle Sprachregelung, will bis Ende des Jahrzehnts aus der Verbrennerproduktion aussteigen, „wo immer die Marktbedingungen“ es zuließen.
Neben der Reichweite entscheiden die Kosten
„Die etablierten Autohersteller befinden sich in einer strategischen Zwickmühle“, sagt Fabian Brandt, Leiter des Autobereichs bei der Strategieberatung Oliver Wyman. „Das verlangsamte Wachstum bei der Elektromobilität limitiert kurzfristig das Potenzial von Tesla und den reinen Elektroherstellern aus China.“
Gleichzeitig könnte langfristig ein in doppelter Hinsicht schädlicher Effekt eintreten, wenn Konzerne wie Mercedes und BMW zu lange am Verbrenner festhalten. Dann würden ihre Skalennachteile bei Elektroautos immer größer, argumentiert Brandt. „Dadurch wird wiederum ihre Ausgangsposition, im neuen Geschäft langfristig erfolgreich sein zu können, von Jahr zu Jahr schlechter.“
Schon jetzt produziert Tesla infolge der geringeren Antriebs- und Modellvarianz deutlich günstiger. „Unsere Kosten sind um ein Vielfaches höher. Auch die neuen Plattformen sind viel zu teuer“, klagt ein Mercedes-Manager. Die Marge der Marke mit dem Stern könnte bald erodieren. Um Schlimmeres zu verhindern, überführt Mercedes seine kleinsten und unprofitabelsten Modelle erst gar nicht ins Elektrozeitalter. A-Klasse und B-Klasse sind bald Geschichte, wie der Konzern erstmals indirekt einräumt.
So radikal mustert BMW in seinem Portfolio zwar nicht aus, die Münchener wollen den Markt für Autos auch unterhalb der heutigen 3er-Reihe nicht aufgeben. „Tesla geht ins Volumensegment, das ist beeindruckend“, sagt Konzernchef Zipse. BMW wolle sich nicht aus dem Markt „herauspreisen“ – also nicht zu teuer werden.
Auch deshalb läuft die „Neue Klasse“ erst einmal kostengünstig in einem neuen Werk in Ungarn an, bevor das deutlich teurer produzierende Stammwerk in München umgerüstet wird. Die neue Klasse soll „sehr profitabel“ werden, verspricht Zipse, BMW werde in Zukunft „nicht weniger profitabel sein“ als heute. Wie viele Verbrenner Zipse für diese Rechnung brauchen wird, bleibt offen.
Die Windschutzscheibe wird zum Armaturenbrett
Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automobilwirtschaft der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover, rechnet im Massenmarkt mit einem scharfen Wettbewerb durch chinesische Anbieter. Das setzt vor allem Volkswagen und die Opel-Mutter Stellantis unter Druck. „Im Premiumgeschäft haben deutsche Hersteller aber deutlich besser Karten“, erklärt Schwope. Sofern die Anbieter ihre Versprechen bei Reichweite, Verbrauch und Ladetempo einlösten, werden „vermögende Autokäufer natürlich lieber einen Mercedes oder BMW fahren wollen als eine relativ unbekannte asiatische Marke“.
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This is another reason why German premium manufacturers rely on high-tech. BMW wants to ban practically all buttons and switches from the cockpit in the “New Class”. Instead, voice control and “intelligent surfaces”, i.e. non-recognizable sensor surfaces, should be used to control the air conditioning, for example.
Unlike Mercedes, BMW also wants to keep the number and areas of the monitors as small as possible. The most important driving data as well as the navigation should be projected onto a narrow band in the windshield so that the driver can keep his eyes on the road even in the dark and in poor visibility.
Because that is also the message of the “New Class”: In the future, the car will be able to do a lot, but not drive alone.
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