Angesichts drohender Engpässe bei wichtigen Rohstoffen für die Batterieproduktion will Volkswagen verstärkt auf Kanada setzen. Der Autobauer und die kanadische Regierung unterzeichnen an diesem Dienstag eine Absichtserklärung zum Ausbau der Elektromobilität, wie das Handelsblatt vorab erfahren hat. Beide Parteien vereinbaren darin, zu prüfen, wie Kanada zur Rohstoffversorgung von VW beitragen kann.Eine zentrale Rolle spielt die PowerCo, die neu gegründete Batteriegesellschaft des Konzerns, heißt es aus Wolfsburg. Diese soll die Zusammenarbeit in den Bereichen Batteriewertschöpfung, Rohstofflieferketten und Kathodenmaterial-Produktion in Nordamerika vorantreiben.„Wir eröffnen keine eigenen Minen, wir wollen uns aber an kanadischen Minen und Minenbetreibern beteiligen“, sagt VW-Technologievorstand Thomas Schmall dem Handelsblatt. Ziel sei, sich Volumen und Preise durch langfristige Lieferabkommen zu garantieren, etwa im Rahmen eines Joint Ventures mit PowerCo.
20 bis 30 Prozent der Jahresproduktion eines Bergwerks könnten dann beispielsweise zu einem festen Preis von der VW-Batterietochter abgenommen werden. Die restlichen 70 bis 80 Prozent könnten die Minenbetreiber zu Weltmarktpreisen verkaufen, so die Idee. „Kanada verfügt über praktisch alle Rohstoffe, die wir für die Batterieproduktion brauchen“, sagt Schmall. Es gebe große Nickelvolumen der höchsten Güteklasse, dazu Kupfer, Kobalt. „Und es gibt viele Minenaktivitäten.“
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80 Prozent der Zellkosten seien Rohmaterialkosten, erklärt Schmall. „Früher dachten die großen Autohersteller, es reicht, wenn man Zellfabriken kauft. Heute wissen wir, dass wir viel tiefer in die Wertschöpfungskette reingehen müssen.“
Milliarden-Investment in Kanada möglich
Unterschrieben wird die Absichtserklärung vom scheidenden VW-Vorstandschef Herbert Diess und dem kanadischen Industrieminister François-Philippe Champagne, anwesend sollen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der kanadische Premierminister Justin Trudeau sein.
VW-Manager Thomas Schmall
„Kanada verfügt über praktisch alle Rohstoffe, die wir für die Batterieproduktion brauchen.“
(Foto: Reuters)
Die VW-Tochter PowerCo ist aus Wolfsburger Sicht für diesen Vorstoß prädestiniert. Unter der Führung von Schmall hat das neue Batterieunternehmen eine Einheitszelle entwickelt, die künftig in 80 Prozent der E-Autos des Konzerns zum Einsatz kommen soll. Das ermöglicht die Nutzung von Skalenvorteilen.
„Wir werden perspektivisch ein Vielfaches an Batteriezellen benötigen“, so Schmall. „Dafür brauchen wir verlässliche Rohstofflieferungen.“ Konkret will VW sechs Batteriezellfabriken in Europa aufbauen und eine weitere in Nordamerika, um die ambitionierte Produktpipeline zu versorgen.
Bei den Minenbeteiligungen sei weniger mehr, so Schmall. „Wir reden da maximal über eine Handvoll Schnittstellenpartner.“ Insgesamt will die PowerCo gemeinsam mit Partnern einen zweistelligen Milliardenbetrag in den Aufbau der globalen Batterie-Wertschöpfungskette investieren. In Kanada könne es ein einstelliger Milliardenbetrag werden.
VW wäre bei Umsetzung des Vorstoßes der erste westliche Autokonzern, der sich in größerem Umfang direkt an Minenbetreibern beteiligt. General Motors hatte Ende Juli mit dem US-Chemiekonzern Livent einen mehrjährigen Liefervertrag über Lithium aus Südamerika abgeschlossen; einen ähnlichen Vertrag gab es mit MP Materials.
Auch Ford hat eine Reihe von Verträgen zur Rohstoffbeschaffung mit Bergbauriesen unterzeichnet, darunter BHP und Rio Tinto. Eine Direktbeteiligung an Minen ist dabei jedoch nicht enthalten.
Tesla-Chef Elon Musk wiederum hatte angesichts rasant gestiegener Lithiumpreise getwittert, Tesla könnte gezwungen sein, ins Minengeschäft einzusteigen. Konkrete Schritte wurden jedoch nicht verkündet. Asien ist da schon weiter. So plant der chinesische Autohersteller BYD, umgerechnet etwa 4,1 Milliarden Euro in eine Batteriefabrik und ein Bergbauprojekt in der Provinz Jiangxi zu investieren, wie kürzlich bekannt wurde.
Auch Mercedes-Benz plant Ankündigung
Nicht nur VW hat große Pläne in Kanada. Auch der Stuttgarter Autohersteller Mercedes-Benz will am Dienstag eine Absichtserklärung zu einem möglichen Rohstoffbezug unterzeichnen, verlautete aus Branchenkreisen. Technologievorstand Markus Schäfer, verantwortlich für Entwicklung und Einkauf, ist Teil der Delegation um Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Mercedes bestätigte dem Handelsblatt den Besuch. Was genau man vor Ort verkünden werde, ließ der Konzern offen. Dem Vernehmen nach streben die Schwaben beim Bezug von wichtigen Materialien wie Lithium, Nickel, Kobalt oder Mangan eine bessere Absicherung der Lieferkette an. Konkrete Vereinbarungen stehen noch aus.
Während Mercedes und VW erst noch tiefer in die Rohstoffbeschaffung einsteigen wollen, ist BMW als dritter großer deutscher Autobauer schon einen Schritt weiter. Die Münchener haben bereits vor Jahren entschieden, kritische Rohstoffe selbst bei Produzenten einzukaufen und diese später an Batteriezellhersteller weiterzureichen.
Der Vorteil: BMW hat so Einsicht in Herkunft, Abbaumethoden und Preise. BMW bezieht etwa Lithium von Gangfeng in Australien und von Livent aus Argentinien. Mit dem marokkanischen Bergbaukonzern Managem besteht ein Kobalt-Liefervertrag.
VW plant neue Gigafactory in Nordamerika
Setzt VW seinen Plan um und steigt direkt bei kanadischen Minen ein, würden sich die Wolfsburger an die Spitze der Bewegung setzen. Ein möglicher Partner könnte Umicore sein. Der belgische Konzern plant in Europa ein Joint Venture mit VW zur Kathodenfertigung und hat vor Kurzem den Aufbau eines kanadischen Standorts angekündigt. Laut VW-Kreisen laufen derzeit Verhandlungen.
Der Autobauer will nicht nur die Rohstoffversorgung kontrollieren, sondern auch die Batteriezellproduktion. Beim Aufbau der ersten Zellfabrik in Nordamerika drückt der Konzern daher aufs Tempo. Der Standort werde aktuell geprüft, sagt Vorstand Schmall.
Thermo-Schockkammer im VW-Batterielabor
Die Batterien werden in Chattanooga extremen Stresstests unterzogen.
„Bei der Standortwahl spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Für eine Batterie müssen große Mengen an Rohstoffen bewegt werden. Daher braucht es nachhaltige Lieferwege und grüne Energiequellen“, sagt der Manager. Kanada sei hier ein attraktiver Standort, aber man sei mitten im Auswahlprozess. „Ziel ist der Aufbau einer eigenen lokalen Batteriezellversorgung, um unsere E-Offensive in Nordamerika abzusichern“, erklärt Schmall. Neben Kanada ist auch ein Standort nahe dem US-Stammwerk Chattanooga im Rennen.
Die Sorgen von Experten, VW könne sich mit der Rohstoffinitiative überfordern, teilt der Manager nicht. „Die PowerCo hat rund um den Globus ein hervorragendes Team zusammengestellt, das sich tief in der Thematik auskennt.“ So hat VW etwa den ehemaligen Batteriechef von Apple, Soonho Ahn, angeheuert. „Wollten wir alle Kompetenz selbst aufbauen, würde das viel zu lange dauern. Wir verkürzen die Lernkurve durch Experten von außen“, erklärt Schmall. Unter den deutschen Herstellern stehe VW mit seiner Initiative an der Spitze.
Die Vereinbarung ermögliche es VW, „künftig noch enger mit lokalen Zulieferern zusammenzuarbeiten“, ergänzt Pablo Di Si, designierter VW-Nordamerikachef. Bis 2030 wolle man mehr als 25 neue Elektromodelle auf den Markt bringen. „Eine breit aufgestellte, lokalisierte Batterie-Lieferkette wird ein Schlüsselelement, um die ambitionierten Wachstumspläne in Nordamerika voranzutreiben.“
Drohende Rohstoffengpässe
Experten begrüßen den Schritt von VW, sehen aber auch Risiken. „Es ist konsequent, dass VW in der vertikalen Integration voranschreitet“, sagt Christian Koenig. Der Autoexperte hat für Porsche in Nordamerika gearbeitet und führt in Atlanta eine Beratung für Elektromobilität.
„Jahrzehntelang haben Autohersteller vieles in der Produktion an Zulieferer abgegeben. Seit dem Erfolg von Tesla ist aber klar, dass es erfolgversprechender ist, wenn man Kerntechnologien der elektromobilen Zukunft im eigenen Haus entwickelt“, sagt Koenig. Allerdings: „Ein Autohersteller versteht erst einmal wenig vom Bergbaugeschäft. Hier werden Hersteller genau abwägen müssen, wie sie sich beim Rohstoff-Sourcing aufstellen, um die eigene Organisation nicht zu überfordern und sich nicht zu verzetteln.“
Dass immer mehr Autohersteller die Sicherung der Rohstoffversorgung selbst in die Hand nehmen, hat einen einfachen Grund: Die Nachfrage dürfte das Angebot in den kommenden Jahren bei vielen Rohstoffen übersteigen. So warnt die Unternehmensberatung BCG in einer aktuellen Studie, die dem Handelsblatt vorab vorliegt, vor „chronischen Engpässen“ bei Lithium.
Selbst wenn alle Minenprojekte, die derzeit als wahrscheinlich oder möglich gelten, realisiert würden, könnte die Nachfrage das Angebot 2030 um vier Prozent oder rund 100.000 Tonnen überschreiten. Im Jahr 2035 könnte die Angebotslücke laut der Studie 24 Prozent oder eine Million Tonnen Lithium betragen.
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Added to this is the high geographic concentration of many battery metals. Chile exports 66 percent of the lithium carbonate required for cell production. The processing of lithium carbonate from lithium ore dominates China. In the case of nickel and cobalt, the geographic dependency is sometimes even greater.
The price of lithium carbonate hit a record high in June at around $80,000 a ton. Within a year, the price has almost quintupled. The rapid increase in the price of lithium, nickel, copper and cobalt stopped the trend of falling battery cell prices in 2022.
criticism from environmentalists
Not everyone on site is happy that Canada could now become the preferred partner of German car manufacturers. “Continued and ever-expanding mining of raw materials is neither ecologically nor socially sustainable,” says Jamie Kneen of the environmental organization Mining Watch. Instead of always opening up new mines, it would be better to expand the circular economy and thereby “actually reduce the net demand for new materials”.
In the mining business, the interests of indigenous peoples are often disregarded and environmental assessment procedures are inadequate. This increases the risk of mine waste disasters, “watershed pollution” and “loss of sensitive ecosystems”. Admittedly, Canada’s regulatory environment is “better than in some other countries,” says Kneen. But it is “far from being acceptable”.
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